"Die Zyklen werden kürzer"
October 29, 2024
Interview mit Hanna Beck, Designchefin bei Christian Fischbacher Switzerland
Interview: Nicolas Gattlen
Bilder: Christian Fischbacher Switzerland
Die Bettwäsche spiegelt immer auch den Zeitgeist. Welche Trends sind aktuell bestimmend? Was bringt uns die nahe Zukunft? Ein Interview mit Hanna Beck, Designchefin der Bettwäsche-Marke Christian Fischbacher Switzerland.
Frau Beck, in der Mode folgen die Trends in immer kürzerer Zeit aufeinander.
Gilt das auch für die Bettwäsche?
Wir stellen schon fest, dass die Zyklen auch im Bereich der Bettwäsche kürzer werden. Hielt ein Design früher fünf Jahre, so flacht das Interesse heute schneller ab, oft schon nach zwei Jahren. Es gibt aber durchaus auch Trends, die sehr viel länger halten. Florale Dessins zum Beispiel. Sie sind ein Klassiker bei Fischbacher. Natürlich variieren die Motive, ihre Grössen oder die Farbigkeit, doch das Grundthema hält sich nun schon seit Jahrzehnten.
Auch ein einzelnes Motiv kann zum Klassiker avancieren. Beispielsweise die Pusteblume. Zum aktuellen 25-Jahre-Jubiläum hat Fischbacher das bekannte Pusteblume-Design zusammen mit der neuen Kollektion Dandelion in limitierter Edition auf den Markt gebracht. Warum kommt das Motiv so gut an?
Die Pusteblume ist ein zartes Symbol der Vergänglichkeit und zugleich ein Sinnbild für Hoffnung und Neubeginn. Auch Kindheitserinnerungen sind damit verbunden – unbeschwerte Frühlingstage, Spaziergänge entlang der Wie- sen. Den federleichten Schirmchen zuzusehen, wie sie durch die Luft wirbeln und bald zu neuen Pflanzen werden, bereitet einfach gute Laune.
Fischbacher hat sich einen Namen mit verspielten Motiven auf hochwertigen Stoffen gemacht, dazu zählen beispiels- weise Federn (Design «Le Piume», 1997 lanciert), Skifahrer («Engadina», 2016) oder Vögel auf Zweigen («Haiku nouveau», 2019). Die Designs wirken leicht und fröhlich.
- Aktuelle Kollektion «Midnight Moon» von Fischbacher mit Magic-Forest-Motiv: 3 geheimnisvolle Atmosphäre zwischen Traum und Wirklichkeit. Die Designs auf der Bettwäsche von Fischbacher stammen ausschliesslich aus dem eigenen Design-Atelier.
- Hanna Beck (39) ist seit 2018 Head of Design bei Christian Fischbacher Switzerland. Die Bettwäsche-Marke Christian Fischbacher gehört seit fünf Jahren zur französischen Fremaux- Delorme-Gruppe.
- Alte Handwerkstechniken wie die Flechtkunst oder die Färbetechnik Shibori werden in neuen Designs aufgenommen.
- «Vienna» ist von den charakteristischen Kaffeehausstühlen und ihrem Rattan-Geflecht inspiriert.

Ein wohltuender Kontrast zur Welt da draussen, die sich derzeit von ihrer rauen Seite zeigt?
Gewiss. Das Schlafzimmer ist ein Ort des Rückzugs. Man möchte sich dort geborgen fühlen, leicht und frisch. Das erklärt auch, warum das schlichte Weiss in den Schlafzimmern dominiert, gefolgt von Beige und Grau.
Und doch spiegelt die Bettwäsche auch den Zeitgeist: Welche Trends sind aktuell bestimmend?
Wir erleben ein Revival der 1960er-Jahre – mit weichen Formen und den Farben Orange, Rot, Grün, Braun. Auch das eierschalenfarbene Bouclé-Garn ist wieder hoch im Kurs. Ein Revival könnten auch die scherenschnittartigen Blumendarstellungen erleben, die während der Jahrtausendwende prägend waren. Schon länger im Trend sind naturinspirierte Motive und Farben: dezente Beige- und Erdtöne mit Akzenten in Grün und Apricot. Optisch dominieren aktuell Terrakotta-Töne und Strukturen, die an trockener Erde, Gestein, Sand, Wüste und Naturmaterialien orientiert sind. Ich denke, hier ist auch die Beschäftigung vieler Designerinnen und Designer mit den klimatischen Entwicklungen richtungsgebend. Zu beobachten ist zudem der verstärkte Einbezug alter Handwerkstechniken wie etwa der Flechtkunst oder der japanischen Färbetechnik Shibori in moderne Designs.
Ist diese Rückbesinnung auf traditionelle Verfahren eine Antwort auf KI-gesteuertes Design?
Interessant ist, dass man heute beides kombiniert. Daraus kann etwas Neues, Unerwartetes entstehen. Unser Designteam ist daran, diese Potenziale auszuloten.
Die Bettwäsche von Fischbacher wird in die ganze Welt verkauft: Hat die Schweizer Kundschaft ganz andere Vorlieben als etwa jene in Spanien oder in Singapur?
Die Schweizerinnen und Schweizer mögen es generell etwas schlichter als die Kundschaft in Asien oder in den südlichen Ländern. Aber derart auf die Reduktion fixiert, wie es gerne kolportiert wird, sind sie nicht. Unsere aktuelle, ausdrucksstarke Kollektion «Midnight Moon» etwa kommt auch in der Schweiz sehr gut an. Sie versprüht eine träumerische Magie, die uns im Alltag vielleicht etwas fehlt.
Grundsätzlich zurückhaltend mit Designs und Farben sind Hotels. Bedienen
Sie diese mit speziellen Kollektionen?
Wir bieten eine eigene Hotellinie mit verschiedenen Modellen in Weiss an. In den meisten Hotels wird weisse Bettwäsche genutzt, weil die Bettwäsche oft täglich chemisch gewaschen und maschinell gebügelt wird. Farben bleichen dann rascher aus und der Stoff muss strapazierfähiger sein.